Sinken

 

 

Das Eis ist brüchig geworden wie meine Schale. Jetzt ist das Herz ausgehärtet.

 

Eine andere Haut wollte ich haben oder eine zweite zum Drüberziehen gegen den eisigen Wind.

 

Jetzt aber lasert die Sonne mir blinde Flecken auf die Netzhaut und ich erkenne die Zeichen nicht mehr in den Wolken.

 

Auch dich hab ich zu lesen versucht, als vom Kern her noch alles gut war. Doch was ich verstanden hatte von dir fiel mir mit einem Blick ins Wasser, den ich einem davonfahrenden Schiff hinterhergeworfen hatte.

 

Diesen Schmerz ziehst du dir nicht an, dachte ich, aber die Tage drückten wie viel zu enge Schuhe. Also blieb ich.

 

Weggehen hatte ich gewollt, aber es ging nicht. Irgendwas weitertragen wollte ich, aber ich blieb stehen mit meinem Ränzlein.

 

So ist das: wir sind einer des anderen Last. Uns aber trägt anderes.

 

Der Februarjunge in mir sitzt im Schnee und schreit zum Himmel. Das Eis, auf dem ich stehe, taut und träumt vom Sinken.

 

Wenn ich diesem Winterkater jetzt das Fell über die Ohren ziehe, müssen sich die Tage erneut besaufen.

 

Nüchtern betrachtet, ist hier alles am Sprießen und riecht nach Aufbruch. Diese Kuh mußt du vom Eis holen, dachte ich. Noch so ein Einbruch, und du bist tot. Aber diese internen Verhandlungen sind ein Natternnest, in dem der Verstand wagemutig rumstochert.

 

Nur einmal noch häuten wollte ich mich, bevor das Eis endgültig bricht. Aber ich war ja schon nackt und fror.

 

Da warf mir der Abend seinen Dämmer über und ich erinnerte mich. Da schlich ich mich auf abseitigen Wegen zurück in das, was ich von dir verstanden hatte.

 

 

 

 

 

Vinzenz Fengler, 9.Februar 2014