ERINNERUNG(s)ZERSETZUNG

"I am a reflection photographing other reflections within reflections. It is a melancholy truth that I must always fail. To photograph reality is to photograph nothing."

Duane Michals, A Failed Attempt to Photograph Reality, 1976

Erinnerungen im Sinne von Erlebnissen bzw. Erlebtem sind oft trügerisch und wenig nachprüfbar. Gefühle, Gerüche und Klänge, die vielleicht damit in Zusammenhang standen und im Erinnerungsprozeß wieder auftauchen, können uns zum Narren halten und wir können keinen fragen, wie es sich im Moment des Erlebnisses wirklich verhalten hat. Erinnerungen die unserem autobiographischen Gedächtnis entstammen sind oft nur Interpretationen vergangener Wirklichkeitskonstruktionen, die nicht mehr viel mit uns zu tun haben. Ganz anders verhält es sich mit Erinnerungen an Ereignisse, also das Wissen über Episoden; diese sind sehr wohl nachprüfbar und anhand von Zahlen und Fakten gut zu rekonstruieren. Und im Spannungsfeld dieser zwei Arten von Erinnerung bewege ich mich auch, wenn ich mich diesem Thema photographisch annähere: Was ist meine Geschichte, welche Erlebnisse haben mich geprägt, welche Spuren finde ich retrospektiv noch, welche kann ich wieder aufnehmen, was habe ich vergessen? Denn Erinnerung hat auch immer mit Vergessen zu tun, mit bewußtem Vergessen im Sinne von Verdrängen und unbewußtem, wenn es sich um Dissoziation handelt. Und so ist diese Ausstellung gewissermaßen auch eine Retrospektive mit Blick auf Arbeiten aus den vergangenen Jahren, und aus verschiedenen Serien, in denen ich mich mit dem Thema Erinnerung auseinandergesetzt habe, aber auch ganz neuen Arbeiten.

Wenn ich mich mit diesen Themen dann aber performativ beschäftige, wie in der Arbeit „Regression #2“, kommt noch die politisch-geschichtliche Dimension des kollektiven Erlebens bzw. der kollektiven Geschichte dazu. Dann nämlich stehen auch Begriffe wie kollektives Erinnern, kollektives Gedächtnis, wahlweise auch kollektives Verdrängen und kollektive Schuld, im Raum. Und so wird auch die Nähe des Ausstellungstitels zum Begriff der Wehrkraftzersetzung deutlicher: Wie ernst sind Erinnerungsarbeit und Gedenken gemeint? Ab wann, und warum, setzt das Vergessen ein? Was muß in der Erinnerung behalten werden?

Grundsätzlich beschäftige ich mich in der Performance-Reihe „Regression“ mit kultischen, spirituellen und liturgischen Handlungen, welche einen gebetsmühlenartigen Charakter haben und die ich – teilweise – als Kind auch selbst kennengelernt und praktiziert habe. In diesem Fall geht es mir um den Prozeß der Reinwaschung.

Vinzenz Fengler, Februar 2014