„Verwirklichte Realität“ ist eine Gemeinschaftsarbeit der Künstler_Innen Jorina Colella, Henriette Fenes und Vinzenz Fengler und ist als paradoxe Intervention zu verstehen. Es gilt – so sagen sie – das von Werbetexten und -Versprechen, medienhysterischer Reizüberflutung und Konsumterror verschüttete Ich aufzuspüren und – wenn es denn gelinge – vorsichtig freizulegen. Fenes hat daher der durch die zahlreichen bunten Quader bedrängten Schaufensterpuppe ein symbolisches Ich um den Hals gehängt. Die drei fragen mit ihrer, den gesamten Raum der Anstalt Wedding einnehmenden Installation, nach dem Verbleib und nach dem Zustand des Individuums. Es wird der Versuch unternommen, die von den Medien und der Werbeindustrie produzierten Wirklichkeitskonstruktionen vermeintlich realen Lebens, aber auch zugeschriebene (Zielgruppen-) Identitäten zu dekonstruieren, mindestens aber zu entlarven. So ist man von durch Fengler verfremdeten und bis ins Absurde sinnentstellten Werbesprüchen à la "Du bist Deutschland" umzingelt, die von ihm und Fenes an die Wände geschrieben wurden und omnipräsent den Raum begrenzen. Colella hat in den raumeinnehmenden werbebunten Quadern sehr persönliche eigene, aber auch von Freunden und Bekannten gesammelte Texte hinter kleinen tabernakelartigen Türchen versteckt, die entdeckt, und im Sinne wirklich realen Individualismus´, wahrgenommen werden wollen. Das wollen auch die fast zu übersehenden weißen Objekte von Fengler, die auf den knalligen Werbeträgern ausgelegt (fast möchte man sagen: ausgesetzt) sind. Auf ihnen sind einzelne Worte zu lesen, die der Künstler aus der Okkupation der Werbetexter herausgelöst, und sie so in ihre natürliche Unschuld zurückgegeben hat. Zugespitzt wird diese Installation durch einen Audio-Loop, der – gesprochen von Colella und angelehnt an die Audiowerbung in Warenhäusern – die Besucherinnen und Besucher mit den durch Fengler verfremdeten Werbesprüchen säuselnd penetriert. Das in die Installation integrierte Video schließlich zeigt das Ergebnis einer ersten Untersuchung der Wahrnehmung oder Nichtwahrnehmung von Absurdem durch eine Kunst-Intervention im öffentlichen Raum eines Einkaufszentrums, welche die Künster_Innen im Vorfeld der Ausstellung durchführten.
Virgil G. Venglescu, 2009